Zur Hauptnavigation springen Zum Hauptinhalt springen

Antrag / Anfrage / Rede

Stellungnahme bei Sondersitzung zur Asylproblematik

"Fairhandel" statt Freihandel

Reinhard Retzer, Kreisrat

Die Fraktionsgemeinschaft ÖDP/FDP unterstützt den von der Verwaltung erarbeiteten Vorschlag, um die uns gestellten Aufgaben bewältigen zu können. Die Zielsetzung im Haushalt 2016 die Schuldenlast nicht zu erhöhen, die Kreisumlage stabil zu halten sowie die Investitionen wie geplant durchzuführen sind ehrgeizig. Für diesen Vorschlag gilt der uneingeschränkte Dank an die Verwaltung.
Die Ausläufer der gewaltigen Fluchtbewegungen, die nicht nur rund um Syrien sondern in ganz Afrika an der Tagesordnung sind und die wir bisher nur aus Fernsehberichten kannten erreichen uns nun in Gestalt einer großen Zahl an Menschen, die Zuflucht bei uns suchen.
Das stellt unser weitgehend wohlgeordnetes Gemeinwesen vor Herausforderungen, die uns in der Art und Dimension bisher unbekannt waren. Die Auswirkungen von Bürgerkriegen auf dem schwarzen Kontinent stehen nun in Menschengestalt vor unserer Haustür und klopfen an.
Die große Politik ist gefordert, sich intensiv und ernsthaft den Ursachen dieser Wanderungsbewegungen zu widmen. Kriege müssen beendet und unterbunden werden. Wirtschaft und Handel müssen sich wesentlich stärker an Gerechtigkeit und Klimaverträglichkeit orientieren, um den Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive zu geben. Fairhandel statt Freihandel, das sagt auch CSU-Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Gerd Müller.
Wir als Landkreis in der kleinen kommunalen Politik vor Ort haben aktuell die Aufgabe, die große Aufgabe, einerseits den Zuflucht suchenden Menschen „Erste Hilfe“ zu leisten für Unterkunft und Verpflegung zu sorgen.  
Gleichzeitig dürfen wir auch unsere unterstützungsbedürftigen Mitbürger mit ihren Familien nicht aus dem Blick verlieren.  
In der Wissenschaft unterscheidet man zwischen relativer und absoluter Armut.
Absolute Armut
Absolute oder extreme Armut bezeichnet nach Auskunft der Weltbank eine Armut, die durch ein Einkommen von etwa einem Dollar (neuerdings 1,25US$) pro Tag gekennzeichnet ist. Auf der Welt gibt es 1,2 Milliarden Menschen, die in diese Kategorie fallen.

Relative Armut
Von relativer Armut spricht man in Wohlstandsgesellschaften, in denen es absolute Armut praktisch kaum gibt, wohl aber eine arme „Unterschicht“ (neuerdings auch Prekariat genannt). Als relativ arm gilt hier derjenige, dessen Einkommen weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens beträgt.

Gefühlte Armut
Gefühlte oder auch sozio-kulturelle Armut lässt sich weniger an konkreten Einkommensgrenzen festmachen. Es ist mehr das Bewusstsein, das diese Art der Armut konstituiert. Sie betrifft diejenigen, die sich aufgrund ihrer allgemeinen gesellschaftlichen Ausgrenzung oder Diskriminierung als „arm“ betrachten oder Angst vor einer sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage haben bzw. in ständiger Angst vor Armut leben.    
Die theoretischen Grenzen absoluter, relativer und gefühlter Armut verwischen, wenn die absolute Armut der Flüchtlinge auf die relativ Armen treffen, denen wir ohnehin von Jahr zu Jahr mit mehr Mittel und Personal Unterstützung leisten müssen.
Vor dem Hintergrund der steigenden Aufwendungen für Flüchtlinge wäre in diesem Zusammenhang ein „Soli der Starken“ in wichtiges Signal. Die Schere der Einkommensverteilung spreizt sich nämlich von Jahr zu Jahr mehr. Die reichsten zehn Prozent der Deutschen besitzen einer OECD-Studie zufolge derzeit fast 60 Prozent des gesamten Nettohaushaltsvermögens.
Die Huffingtonpost veröffentlichte kürzlich eine Berechnung, nach der unserem Staat die Flüchtlinge jährlich 10 Mrd kosten. In der Berechnung kam aber auch zum Vorschein, dass uns die Steuerflüchtlinge jährlich 100 Milliarden kosten.
Deswegen wäre es in dieser Situation nur recht und billig, ihnen einen größeren finanziellen Beitrag abzuverlangen. Das vielfältige und beherzte Engagement zahlreicher ehrenamtlicher Helfer sollte dazu den nötigen Ansporn geben. Jetzt wäre der Moment für eine Transaktionssteuer für Spekulationen an den Finanzmärkten. Bei jedem Bleistift, den ein Kind kauft hält der Staat die Hand auf. Bei millionenschweren Finanztransaktionen halten alle Staaten die Augen zu.
Aber das wäre wieder eine Sache für die große Politik.
Namens unserer Fraktionsgemeinschaft ÖDP/FDP bedanke ich mich an dieser Stelle bei der Verwaltung für die großen Anstrengungen, die Ausgaben unter Kontrolle zu halten. Ich hoffe, wir können diese ehrgeizigen Ziele haushaltsneutral zu schultern.
Mein großer Dank gilt auch und besonders den zahlreichen Mitbürgern, die sich tatkräftig und ausdauernd vor Ort engagieren.

Reinhard Retzer, Fraktionssprecher ÖDP/FDP   
 

Zurück